Fort Eben-Emael

 
Die Lage des Forts an der belgischen Grenze
Beobachtungskuppel Eben 3 auf Kasematte Maastricht 2 mit Abdruck einer Hohlladung
Modell des Forts
Albert-Kanal bei Maastricht, 1940 (links das Fort mit den beiden Kanalstreichen)

Die belgische Festung Eben-Emael wurde in den Jahren 1932 bis 1939 als nördlichste Anlage des Festungsringes Lüttich erbaut und nach dem direkt angrenzenden kleinen Ort gleichen Namens benannt. Das Fort befindet sich zehn Kilometer südlich der niederländischen Stadt Maastricht auf dem St.-Pieter-Berg oberhalb des westlichen Ufers der Maas. Unterhalb des Forts zweigt der Albert-Kanal von der Maas in Richtung Antwerpen ab. Der Kanal durchbricht den St.-Pieter-Berg in einem 65 m tiefen Einschnitt und bildet damit einen der Festungsgräben.

In gewisser Hinsicht ähnelt das Fort den gleichzeitig errichteten Anlagen der französischen Maginot-Linie, während es in anderen Details wiederum davon abweicht. Der Grundriss des Forts bildet ein unregelmäßiges Fünfeck mit einer Fläche von 0,75 km²; mit der Form des Grundrisses wurde die Tradition der französischen Festungsbauer des 16. und 17. Jahrhunderts fortgeführt. Etwa 0,45 km² bilden das „Dach“ des Forts. Diese Ausdehnungen machen Eben-Emael zum bis dahin größten gebauten Fort.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Deutsche Kriegsplanung

Die Kuppel 120, links dahinter die Kasematte Vise 1
Bunker Kanal Nord

Der deutsche Planungsstab hatte durch Aufklärungsflüge (wahrscheinlich wurden Fotos von Zivilflugzeugen gemacht, welche die (seit 1926 beflogene) Strecke Köln – Paris beflogen) zahlreiche Informationen über die Festung gewonnen. [1] Ein Angriff mit konventionellen Mitteln erschien unmöglich. Man erwog zeitweise einen Angriff auf Eben-Emael, um während des geplanten Westfeldzuges von den eigentlichen strategischen Zielen abzulenken. Die Luftaufklärungs-Fotos zeigten, dass so gut wie keine Flugabwehr auf dem Fort vorhanden war und dass die Besatzung des Forts auf dem Plateau gelegentlich Fußball spielte. Offensichtlich war es nicht vermint. Auf diesen Erkenntnissen fußte der deutsche Angriffsplan.

Mit Hohlladungen wurde eine Waffe gegen die gepanzerten Festungsteile entwickelt. Die schwerste dieser Hohlladungen wog 50 kg. Die Hohlladungen mussten von den Angreifern direkt auf die Panzerteile abgelegt werden, 45 Sekunden nach Aktivieren eines Zeitzünders explodierten sie. Der sich dann entwickelnde Metallstachel durchschlug mit einer Geschwindigkeit von 15 km/s jede Panzerung. Weil die Hohlladungen äußerst empfindlich gegen Beschädigungen waren, war ein Transport per Fallschirm nicht möglich. Stattdessen wurden Lastensegler vom Typ DFS 230 verwendet, die von Transportflugzeug Junkers Ju 52/3m über deutschem Gebiet in große Höhen geschleppt und dort ausgeklinkt wurden, um dann die 30 km von der deutschen Grenze bis nach Eben-Emael im Gleitflug – nahezu geräuschlos – zurückzulegen. Dort landeten sie im Morgengrauen des 10. Mai 1940 in Steilspiralen auf dem Dach des Forts. Die wenigen Soldaten der Besatzung, die einen der Gleiter sichteten, waren der Ansicht, es seien belgische Flieger in Not, da die deutschen Gleiter von der belgischen Seite kamen, nachdem sie das Fort umflogen hatten. Ebenfalls im Morgengrauen begann der deutsche Angriff auf die Niederlande, Frankreich und Luxemburg.

Zur Durchführung des Auftrages wurde der 82 Mann starke Fallschirmpionierzug (Sturmtruppe „Granit“: 1 Oberleutnant, 2 Oberfeldwebel, 22 Unteroffiziere und 57 Mann) in elf Sturmtrupps zu je sieben bis acht Fallschirmern gegliedert. Sie waren mit sechs leichten MG22-Maschinenpistolen, Gewehren, Pistolen, Handgranaten und anderen Sprengmitteln bewaffnet. Kommandant des Zugs war Rudolf Witzig. Der Zug startete mit 11 Lastenseglern in Köln-Ostheim (Fliegerhorst Ostheim). Das Seil, an dem Witzigs Lastensegler hing, riss; er landete bei Aachen. Auch ein weiterer Lastensegler musste vorzeitig landen. Witzigs Lastensegler traf gegen 8:30 Uhr auf dem Dach des Forts ein.

Ebenfalls mit Lastenseglern wurden die Brücke bei Canne, die bei Vroenhoven und die bei Veldwezelt angeflogen.

Kampfhandlungen

Wirkung einer Hohlladung
DFS 230 im Schleppflug, Italien 1943

Das Fort war zwar alarmiert, aber noch nicht voll gefechtsbereit: Werk 13 war noch nicht besetzt, Werk 31 hatte noch keine Munition und die 7,5-cm-Kanonen des Werkes 12 waren noch eingefettet; Werk 24 konnte nicht gefechtsbereit gemacht werden, da der Munitionsaufzug nicht funktionierte und auch Teile der Zünderstellmaschine fehlten.[2]

Etwa um 5:25 Uhr, eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang (die Piloten konnten ihre Landeplätze ausreichend erkennen), landeten neun Lastensegler mit Fallschirmpionieren auf dem Dach der Festung. Sieben landeten jeweils in unmittelbarer Nähe ihrer Kampfziele; zwei an der Nordspitze der Festung, von wo sie zunächst nicht in den Kampf eingreifen konnten. Bei der Landung wurden sie von vier Maschinengewehren beschossen, von denen aber alsbald zwei wegen Ladehemmungen ausfielen, während das dritte Maschinengewehr vom ersten landenden Segler umgerissen und das vierte von dessen ausgestiegener Besatzung ausgeschaltet wurde.[3]

Binnen zehn Minuten nach der Landung sprengten die sieben Sturmtrupps – jeweils mit einer aufgesetzten Hohlladung – alle Artilleriewerke des Forts (außer 9), dazu die FIaMG (Werk 29), den Infanterieblock 30 und einen Entlüftungsschacht (Werk 10). Die Werke 12 und 18 wurden bis auf Sohlentiefe gesprengt. Die Angreifer vernebelten einige Beobachtungskuppeln. Das Fort war nun „blind“; die Verteidiger konnten sich keinen Überblick über die Lage verschaffen.

Später versuchten die deutschen Angreifer mehrfach, einen Weg in das Innere des Forts zu sprengen; dies gelang jedoch erst den nachrückenden Pioniersprengtrupps teilweise.

Eine verbogene Lüfterschaufel erzeugte soviel Lärm, dass die Verteidiger glaubten, die Angreifer würden den Hügel unterminieren, um ihn zu sprengen. Die enormen Detonationen der Hohlladungen, die den ganzen Hügel erschütterten, trugen ebenfalls zu diesen Befürchtungen bei.

Es gelang den Deutschen, in das Fort selbst einzudringen, indem sie in die Kasematte „Maastricht 1“ ein Loch sprengten. Die belgische Besatzung der Kasematte wurde durch die Explosion getötet; die Besatzung des Forts versperrte den Zugang zur Kasematte daraufhin mit dafür vorgesehenen Stahlprofilen und Sandsäcken. Hinter diesem 50 bis 80 Zentimeter starken Hindernis bezogen die belgischen Soldaten Stellung und warteten darauf, dass der Feind durch die verbarrikadierten Türen brechen würde.

Dies erwies sich als taktischer Fehler, da die Deutschen dadurch genügend Zeit erhielten, um eine 50-kg-Hohlladung an den Türen zu befestigen und per Zeitzünder zur Explosion zu bringen.

Der Explosionsdruck der Hohlladung zerstörte die Barrikade und tötete die hinter den Türen verschanzten belgischen Soldaten. Im Gang standen Fässer oder Kisten mit Chlorkalk zur Desinfizierung der Toiletten, die durch den Explosionsdruck platzten und Dämpfe freisetzten. Diese verteilten sich in den Gängen, so dass die Belgier annahmen, dass die Deutschen Giftgas einsetzten.

Zudem zerstörte der Druck der Explosion die 20 Meter hohe Stahlkonstruktion der Geschützturmtreppe, so dass die Deutschen den Turm nicht mehr als Zugang nutzen konnten. Nach dieser Erfahrung sahen die Deutschen davon ab, weitere Türme auf diese Art zu erobern, da das Fort nach der Eroberung weitergenutzt werden sollte.

Weil dem Festungskommandanten zu diesem Zeitpunkt klar wurde, dass nur die Zurückerlangung des Plateaus den Verlust des Forts verhindern könne, befahl er den Ausfall. Um das Plateau wieder zu nehmen, hätte die Fort-Besatzung von unten dorthin vorstoßen müssen, denn es gab von oben keinen Zugang auf das Plateau. Die Verteidiger waren zwar zahlenmäßig 10:1 überlegen; sie setzten aber zu wenig Kräfte ein, um die deutschen Soldaten vom Dach des Forts zu treiben. Zudem hatten die Deutschen dort eine gute Verteidigungsposition und konnten ihre Stellungen halten. Die belgische Führung in Lüttich konnte sich ebenfalls nicht zu einem entschlossenen Gegenangriff durchringen.

Anordnung der Festungswerke auf der Oberfläche des Forts


Kommandant und Besatzung konnten nicht erkennen, welche Kräfte das Fort angriffen. Dazu kam ein erheblicher psychischer Druck; sie befürchteten wegen der Erschütterungen, dass die Anlage einstürzen werde. Damals waren Hohlladungen und ihre Wirkung noch weitgehend unbekannt. So blieb es für die Besatzung rätselhaft, wie ihre Geschütze derart schnell ausgeschaltet werden konnten.

Am nächsten Morgen erreichten Entsatztruppen des Heeres auf dem Landweg Fort Eben-Emael. Als erster kämpfte sich Feldwebel Portsteffen vom Pionierbataillon 51 gegen 7:00 Uhr morgens in einem Schlauchboot unter Feindfeuer über den Albert-Kanal setzend zu den Fallschirmjägern durch. Einige Stunden gab es harte Kämpfe um das Eingangswerk und den Kanal.

Der Fort-Kommandant Major Jottrand bat den belgischen Generalstab um eine Entscheidung, ob er aufgeben solle oder nicht. Die belgische Führung überließ dem Major diese Entscheidung. Er kapitulierte am 11. Mai um 11:30 Uhr.

24 belgische und sechs deutsche Soldaten waren bei den Kämpfen ums Leben gekommen. Alle übrigen belgischen Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft. Diese wurden streng getrennt von anderen Kriegsgefangenen gehalten, um zu verhindern, dass Informationen über den Einsatz der Lastensegler und Hohlladungen nach außen drangen.

Wortlaut Wehrmachtbericht:

Samstag, 11. Mai 1940: (Sondermeldung) Das stärkste Fort der Festung Lüttich, Eben-Emael, das die Übergänge über die Maas und den Albert-Kanal bei und westlich Maastricht beherrscht, hat sich Sonnabendnachmittag ergeben. Der Kommandant und 1000 Mann wurden gefangen genommen.
Das Fort wurde schon am 10. Mai durch eine ausgesuchte Abteilung der Luftwaffe unter Führung von Oberleutnant Witzig und unter Einsatz neuartiger Angriffsmittel kampfunfähig gemacht und die Besatzung niedergehalten. Als es einem von Norden angreifenden Verband des Heeres nach hartem Kampf gelungen war, die Verbindung mit der Abteilung Witzig herzustellen, hat die Besatzung ihre Waffen gestreckt.
[4]

Sonntag, 12. Mai 1940 Zwischen Hasselt und Maastricht ist der Übergang über den Albert-Kanal erzwungen. Das Fort Eben-Emael, südlich Maastricht, der stärkste Eckpfeiler Lüttichs, ist, wie schon durch Sondermeldung bekanntgegeben, in deutscher Hand. Der Kommandant und die Besatzung von 1000 Mann haben sich ergeben.[5]

Weitere Folgen für den Krieg

In psychologischer Hinsicht war der schnelle Fall von Eben-Emael für die Alliierten fatal, denn sie wussten nichts über die Methoden des Angreifers. Während des Krieges wurde die Anlage immer wieder den Soldaten der Verbündeten der Deutschen gezeigt, ohne dass die Deutschen etwas über die eigenen Methoden beim Angriff verrieten. In außenpolitischer Hinsicht versuchte Hitler, den spanischen Diktator Franco dazu zu bewegen, auf seiner Seite in den Krieg einzutreten, indem er Franco seine bei Eben-Emael erfolgreichen Soldaten zur Erstürmung der englischen Festung Gibraltar anbot.

Eben-Emael heute

Seit 1999 ist Eben-Emael ein Museum, das einmal im Monat sonntags besichtigt werden kann. Es finden auch Führungen auf Deutsch statt.

Die Außenanlagen sind frei zugänglich. Die Spuren des zeitweise sehr heftigen Kampfes um das Fort sind immer noch unübersehbar; so sind noch alle zerstörten Kanonen und Panzerteile vorhanden.

Ganz in der Nähe des Haupteinganges des Forts befindet sich der Eingang zu dem zum Albert-Kanal führenden Tunnel. Er hatte nichts mit dem Fort zu tun, sondern diente nur als unterirdische Zu- und Abfahrt der LKW bei der Vergrößerung des Kanals. Dadurch konnten umständliche Serpentinenfahrten umgangen werden.

Strategische Ausrichtung

Die strategische Aufgabe des Forts war es, einem eventuellen Angreifer aus dem Osten längere Zeit Widerstand entgegenzusetzen, bis der Beistand der Alliierten wirken konnte. Dazu sollte es mit seinen Kanonen die Brücken über den Albert-Kanal der drei aus Maastricht nach Belgien herausführenden Straßen sichern.

Bewaffnung

Kasematte Vise 2
Kasematte Maastricht 2

Primärbewaffnung

  • Die Kuppel 120 als drehbare Panzerkuppel mit einer Gesamtmasse von 450 t und zwei Kanonen vom Kaliber 120 mm,
  • Die beiden Kuppeln Nord und Süd, die bei Nichtgebrauch unter die Oberfläche des Forts versenkt werden konnten. Beide Kuppeln waren drehbar und mit je zwei Kanonen vom Kaliber 75 mm bewaffnet.
  • Die zwei nach Norden wirkenden Kasematten Maastricht 1 und 2 sowie den beiden nach Süden wirkenden Kasematten Vise 1 und 2. Alle diese Kasematten waren mit je drei Kanonen vom Kaliber 75 mm bewaffnet.
  • Außerdem waren noch drei Scheinkuppeln aus Blech in der Größe von Kuppel 120 aufgestellt. Sie sollten das Fort noch stärker bewaffnet wirken lassen, als es war.

Nahbewaffnung

  • Block I als Haupteingang
  • Block II
  • Block IV
  • Block V
  • Block VI
  • Kanal Nord
  • Kanal Süd
  • Maschinengewehrbunker Mi-Nord
  • Maschinengewehrbunker Mi-Süd
  • und dem außerhalb des Forts liegenden Block 01

Der letztgenannte Block war mit einem unterirdischen Gang mit dem Fort verbunden. Alle diese Blöcke hatten gepanzerte Beobachtungsstände, Scheinwerfer und Kanonen mit Kaliber 60 mm. In drei der Blöcke waren größere Beobachtungsstände für die Gefechtsleitung eingebaut. Dies waren die Spähkuppeln 'Eben 1' auf Block 01, 'Eben 2' auf Werk 'Mi Nord' und 'Eben 3' auf der Kasematte 'Maastricht 2'.

Passive Bewaffnung

Haupteingang des Forts

Neben dem Festungsgraben im Osten gab es weitere (teilweise wassergefüllte) Gräben, Mauern zur Panzerabwehr und weitere Annäherungshindernisse. Die unterirdische Ausdehnung der Gänge innerhalb des Forts betrug über 5,3 km bei einer Tiefe von bis zu 55 m. Die gesamte Luftzufuhr des Forts führte über spezielle Filter, da den Planern die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg hinsichtlich des Einsatzes von Giftgas noch sehr gegenwärtig waren.

Die Besatzung des Forts bestand aus 1200 Soldaten, von denen die eine Hälfte (500) Dienst im Fort hatte und die andere Hälfte (ebenfalls 500) in den umliegenden Kasernen stationiert war. Die restlichen 200 bestanden aus der permanenten Besatzung des Forts, Ärzte, Krankenschwestern, Köche, usw. Der Dienstwechsel erfolgte alle sieben Tage am Freitag. Nur im Kriegsfalle würden alle 1200 Soldaten gleichzeitig innerhalb der Festung stationiert sein.

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